Von: Stefan Andromis Herbert
Datum: 02.04.2022
In meinem Heimatort Ladenburg treffen sich seit Dezember letzten Jahres wöchentlich bis zu 60 Montagsspaziergänger, um friedlich gegen die geplante Impfpflicht und die Corona-Maßnahmen zu protestieren. Diese Aktion kam bei der Stadt und den örtlichen Parteiverbänden nicht gut an und sie wurden als Hetzer, Coronaleugner und Nazis beschimpft. Zudem wurden die Bürger Anfang des Jahres aufgerufen, an Gegendemonstrationen gegen Hass und Hetze teilzunehmen.
Ich bin selbst montags einige Male mitgelaufen und habe nur friedliche Teilnehmer erlebt. Die Verurteilungen gegen sie entspricht dem Bild, welches von den Medien verbreitet wird. Ich habe mir aber auch eine der Gegendemos angesehen und wurde auf eine jüngere wütend wirkende Teilnehmerin aufmerksam, die ein Schild in der Hand hielt, welches mir besonders auffiel. Dort stand geschrieben: lieber impfen als schimpfen.
Da wurde mir bewusst, dass zwischen den Meinungen der Gegendemonstranten und der Spaziergänger Welten liegen. Grundsätzlich wäre dies ja nicht weiter schlimm. Doch da es auf beiden Seiten oft wenig Verständnis für die andere Seite gegeben hat, ist es zu heftigen Polarisierungen gekommen. Diese sind aus meiner Sicht durch die Meinungsbildung der Politik über die öffentlich rechtlichen Medien sogar noch verstärkt worden.
Schlimmer noch empfand ich es, dass nicht geimpfte Menschen als eine Bedrohung für die Gesellschaft bezeichnet wurden. Dadurch wurde eine Angst geschürt, welche meiner Ansicht nach die Ursache für Spaltungen innerhalb von Familien und Freundeskreisen sind. Diese Spaltungen haben mich innerlich sehr berührt. Da ich ein Mensch bin, der immer versucht, jeden anders denkenden Menschen so zu akzeptieren wie er ist, ist diese Entwicklung für mich nur schwer fassbar gewesen.
Ich möchte hier nicht näher darauf eingehen, wer mit welchen Hintergründen und Absichten bei den Montagsspaziergängen dabei ist. Diese sind für mich durchaus unterschiedlich, auch wenn es einen gemeinsamen Nenner gibt, was das Thema Impfen betrifft. In meinem Beitrag möchte ich das Geschehen während der Pandemie aus einer ganzheitlicheren Perspektive betrachten und erklären, welchen Sinn und welche Bedeutung sie für die Gesellschaft hat.
These, Antithese und Synthese
Für mich machen solche Krisen deutlich, was bisher gesellschaftlich nicht bewusst gewesen ist, weil es verdrängt und tabuisiert wird. Wenn sich die Gesellschaft dann offen damit auseinandersetzt, kann es gelöst werden und sie kann daran wachsen. Das ist für mich auch der Sinn einer solchen Krise, denn Menschsein bedeutet, sich zu entwickeln, bewusster und reifer zu werden.
Wenn eine Entwicklung ins Stocken gerät, was aus meiner Sicht in unserer westlichen Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten der Fall ist, entstehen Krisen, um wieder Bewegung hineinzubringen. Entwicklung findet durch die Integration von Gegensätzen statt. Der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat dazu die Begriffe These, Antithese und Synthese verwendet. Auf diese Weise hat sich auch die Philosophie seit der Antike weiterentwickelt.
In einem praktischen Beispiel könnte es so aussehen: Ein Philosoph stellt die These auf, dass Gott tot ist. Dann versucht ein anderer, dies durch eine Antithese zu widerlegen und sagt: „Gott ist nicht tot, er lebt.“ Daraus vermag in einer Diskussion eine Synthese herauskommen, die vielleicht das Ergebnis hat, dass Gott im Moment nur schläft oder abwesend ist.
Die Synthese vereint die beiden ursprünglichen Sichtweisen und schafft eine neue, in der Regel konkretere oder umfassendere Beschreibung unserer Welt. Eine Gesellschaft entwickelt sich für mich weiter, wenn sie zu ihrer bisherigen Sicht auf die Welt gegenteilige Sichtweisen integriert. Dabei sind es meist Splittergruppen, welche zu dem allgemein gesellschaftlichen Weltbildern oder Meinungen Gegenansichten aufstellen.
Wenn dies geschieht, kann die Gesellschaft auf zwei Arten reagieren. Entweder wird die Gruppe mit der Antithese als Feindbild betrachtet, verleumdet und unterdrückt. Damit wird deren Erkenntnis niemals Teil des Ganzen, weshalb sich die Gesellschaft nicht weiterentwickeln kann, sondern in ihrem bisherigen Bewusstsein stehen bleibt. Andererseits kann es zu einer fruchtbaren Diskussion kommen, in der Meinungen gegenseitig bewertet werden mit dem Bemühen einen Konsens, also die Synthese zu finden.
Die Voraussetzung dafür ist die Offenheit aller Beteiligten, sowohl bei den Vertretern der These, wie auch jenen der Antithese. Nur so kann es zu einer wirklich gemeinsamen neuen gesellschaftlichen Sicht kommen. Dies setzt voraus, dass sich beide Gruppen dafür öffnen, über ihren eigenen Tellerrand zu schauen und sich in die jeweils gegenteilige Vorstellung hineinversetzen.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es oft schwer fällt, diese Offenheit zu erreichen. Zu gerne möchte man, zumeist aus dem eigenen Ego heraus, recht haben und auch recht behalten. Doch dann ist kein Konsens oder keine Synthese möglich. Oft bedarf es einer gemeinsamen Kraftanstrengung, vielleicht unterstützt durch neutrale Personen wie Mediatoren, damit diese Öffnung geschieht und die Gesellschaft sich weiterentwickeln kann.
Da die erreichte Synthese oder das neue Weltverständnis nun zur neuen These geworden ist, welche in der Regel immer noch nicht die Weisheit letzter Schluss ist, wird es natürlich wieder eine Antithese geben, welche erneut integriert werden möchte. Dies zeigt, dass eine solche Integration keinen einmaligen Vorgang darstellt, sondern ein bereits Jahrtausende währender Entwicklungsprozess, der letztendlich zu einer ganzheitlicheren und bewussteren Sichtweise führt.
Über den eigenen Tellerrand hinausschauen
Als nächstes möchte ich den Begriff der Wahrheit ansprechen. Für mich gibt es keine immer und überall gültige Wahrheit. Jeder Mensch besitzt seine eigene Wahrheit, die geprägt worden ist durch die individuellen Erfahrungen und daraus abgeleiteten Erkenntnissen. Daraus resultiert für mich, dass es nur eine höhere oder universale Wahrheit gibt, welche die Summe aller individuellen Wahrheiten beschreibt.
Deshalb hat jeder Mensch aus seiner Sichtweise oder von seinem Standpunkt gesehen, immer recht. Egal wer es ist oder wie er zu dieser Wahrheit gelangt ist. Damit ist es für mich klar, dass ich niemanden von einer anderen Wahrheit überzeugen kann. Ich kann ihm nur meine Sichtweise aufzeigen und dann bleibt es dieser Person selbst überlassen, wie sie damit umgeht.
Deshalb macht es absolut keinen Sinn, andere Menschen dazu bringen zu wollen, ihre Meinung zu ändern. Dies eskaliert meist in eine Diskussion oder ein Streitgespräch, in der jeder der Parteien glaubt, im Recht zu sein. Die Ursache liegt für mich darin, dass wir zumeist in einer eigenen Vorstellungswelt oder einer unser Bewusstsein begrenzenden Blase leben. Innerhalb dieser Denkblase fühlen wir uns sicher und bestätigt, weshalb es uns schwer fällt, darüber hinaus zu schauen und uns die Vorstellungen anderer zu betrachten und gegebenenfalls sogar zu akzeptieren.
Das wird auch umgangssprachlich mit dem Ausdruck „über den Tellerrand hinausschauen“ gemeint. Wir sehen nur unseren eigenen Teller, den wir ganz toll finden, von dem wir auch absolut überzeugt sind und erkennen deshalb nicht, dass es um uns herum noch andere bemerkenswerte Teller gibt. Für dieses Unvermögen, über die eigene Begrenzung hinaus zu sehen, gibt es aus meiner Sicht allerdings nachvollziehbare Gründe.
Zum einen habe ich die Erfahrung gemacht, dass es anstrengend ist, den eigenen Standpunkt zu verlassen, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen und sich auf möglicherweise ganz neue Ansichten über mich selbst, über das Leben oder gar über Gott und die Schöpfung einzulassen. Es ist auch für das Gehirn anstrengend, weil sich dadurch Nervenzellen neu vernetzen. Doch nur so lernen wir und werden – bezogen auf das Gehirn – sogar physisch immer wieder zu einem neuen Mensch.
Auf der anderen Seite kann es Angst machen, sich neuen Sichtweisen zu öffnen. Wir haben uns vielleicht mühsam unser „Universum“ geschaffen, also das Gedankenkonstrukt, welches wir als unsere Wahrheit bezeichnen. Diese gibt Stabilität und Sicherheit innerhalb des großen Chaos oder der vielen Unsicherheiten, die wir tagtäglich in der Welt erfahren.
Dieses für uns sichere Weltverständnis aufzugeben und sich mit den unterschiedlichsten, vielleicht gar fremdartigen Meinungen und Ideen auseinanderzusetzen, die uns möglicherweise im ersten Moment mehr verwirren, als dass sie einen Sinn und eine Bedeutung geben, kann deshalb Angst machen. Es setzt also auch Mut voraus, sich für andere Bewusstseinsinhalte zu öffnen oder über den eigenen Tellerrand zu sehen.
Gesellschaftliche Fehlentwicklungen
Aus meiner Sicht fordert uns die Corona-Pandemie auf, unsere bisherige Lebensweise auf diesem wunderschönen Planeten zu überdenken. So macht sie uns deutlich, dass die Art und Weise, wie wir als Menschen miteinander, mit der Natur und mit dem Planeten umgehen, so nicht weitergehen kann.
Wie oben schon beschrieben, kommt es zu Krisen, wenn eine vorgesehene Entwicklung nicht bewusst gegangen wird. Durch die Krise entsteht ein innerer Druck, der dazu führen möchte, sich mit dem zu beschäftigen, was bisher verdrängt worden ist. Mit der Zeit wurde mir auch deutlich, auf welche gesellschaftlichen Themen uns die Pandemie aufmerksam gemacht hat. Nachfolgend benenne ich die aus meiner Sicht wichtigsten Themen:
Zum Ersten: In den vergangenen Jahrzehnten ist eine globale Finanzmacht entstanden, in welcher nicht der Mensch, sondern deren Profite im Mittelpunkt stehen. Deshalb wird die Welt aus meiner Sicht durch deren Geld regiert. Politiker werden mit aufwändiger Lobby-Arbeit dazu gebracht, die richtigen Gesetze zu verabschieden. Die Manipulation durch Werbung hat stark zugenommen, sei es z.B. auf den Bahnsteigen in den großen Bahnhöfen des Landes, bei YouTube oder an vielen anderen Orten. Wenn man nicht sehr bewusst ist, kann man sich ihr nur noch schwer entziehen.
Konzerne sind verständlicherweise daran interessiert, mit ihren Produkten immer mehr Umsätze zu erzielen, um ihren Aktionären die gewünschte Dividenden zahlen zu können. Aus dieser Sichtweise werden sowohl die Pharma-Unternehmen, wie auch unser Gesundheitssystem, niemals daran interessiert sein, dass die Menschen wirklich gesunden. Genauso ist es mit Rüstungsunternehmen und Waffenherstellern, die sicherlich kein Interesse daran haben, dass es auf der Welt keine Kriege und keine Gewalt mehr gibt.
Zum Zweiten: In den letzten Jahrhunderten hat sich die europäische Gesellschaft immer mehr zu einem rationalen und von Vernunft geprägten Denken entwickelt. Dadurch wird nur das anerkannt, was empirisch eindeutig bewiesen ist. Wenn früher Ärzte die „Götter in weiß“ waren, so sind es während der Pandemie die Epidemiologen und Virologen gewesen, welche die Meinungsbildung in der Bevölkerung prägten.
Grundsätzlich habe ich nichts gegen Wissenschaft. Ich empfinde sie als wertvoll, wenn sie neue Erkenntnisse über uns selbst und unsere physikalische Welt entdeckt. Doch erscheint mir ihre Wahrnehmung der Welt als zu einseitig, weil ein ganz wesentlicher Aspekt fehlt: die Religion, Spiritualität, Mystik oder auch einfach das Sinngebende.
Wer macht sich heutzutage ernsthaft Gedanken für den Sinn seines Daseins und ist auch so mutig sich auf Antworten einzulassen? Wer hat sich während der Pandemie damit beschäftigt, warum es diese Krise gibt oder was Gott, das Universum oder die Schöpfung uns Menschen damit sagen möchte? Aus meiner Sicht haben dies noch nicht einmal die großen christlichen Kirchen getan. Auch wenn ich seit Mitte der 1990er Jahre aus der evangelischen Kirche ausgetreten bin, hat mich diese Erkenntnis trotzdem enttäuscht.
Zum Dritten: Viele Jahrhunderte Meinungsbildung durch die christlichen Kirchen haben dazu geführt, dass der westliche Mensch alles in seiner Welt entweder in Gut oder in Böse einteilt, glaubt, sündig zu sein oder mindestens weniger wert. Wenn jemand nicht der einzig wahren Wahrheit vertreten durch die Kirchen recht gab, sondern anders dachte, so wurde er ausgegrenzt, verleumdet, verurteilt oder gar verbrannt. Damit die Gesellschaft sich selbst beweisen konnte auf der „guten Seite“ zu stehen, suchten sie für Naturkatastrophen oder andere Übel immer wieder Schuldige, gegen welche die Bevölkerung aufgehetzt wurde: „steinigt sie! verbrennt sie! Hängt ihn auf“. Und der Mob lies sich dies nicht zweimal sagen.
In der Pandemie sind es die nicht geimpften Mitbürger, denen man die Schuld gibt, dass es diese Krise immer noch gibt. Dabei wurden Impfgegner gleichzeitig mit Rechtsradikalen und demokratiefeindlichen Gruppierungen genannt und vor Lüge, Hass und Hetze gewarnt. Damit scheint es mir, als ob sich seit dem Mittelalter im gesellschaftlichen Bewusstsein nicht viel verändert hat.
Als die russische Armee in die Ukraine einmarschierte, standen plötzlich nicht mehr die Ungeimpften im Zentrum der Kritik, sondern Putin und die Russen. Ihre Produkte wurden aus den Regalen der Lebensmittelgeschäfte entfernt und russische Mitbürger wurden als Putin-Freunde beschimpft. Die Politik wollte uns sogar einreden, wenn wir Erdgas und Erdöl sparend in unseren Wohnungen frieren, wäre dies ein nützlicher Beitrag zur Beendigung des Krieges.
Zum Vierten: Der westliche Mensch hat sich in den vergangenen Jahrhunderten immer mehr von der Natur entfernt. Dies führte zu ihrer Ausbeutung, Verschmutzung und Zerstörung. Wenn die Natur dann mit Viren, Flutkatastrophen oder anderen Ärgernissen antwortet, wird sie als böse betrachtet. Auch unser Verhalten in Bezug auf das Virus selbst hat mir schon gezeigt, wie sehr unser Verhältnis im Allgemeinen zur Natur gestört ist.
Über die Luft, welche wir einatmen, sind wir alle miteinander verbunden, denn die Luft, welche ein Mensch oder ein Tier ausatmet, atmen wir ein. Die Angst vor dem Virus und sich durch ihn zu infizieren, ist für mich in Wahrheit die Angst vor diesen Mitmenschen oder besonders vor dem, was uns fremd ist, was wir nicht anzunehmen oder in unsere Bewusstseinsblase integrieren möchten. Abstand zu halten oder Masken vor dem Gesicht zu tragen, sind somit der sichtbare Ausdruck dieser Angst. Da die Natur ganz ohne Mundschutz und Impfstoffe auskommt, frage ich mich, warum wir Menschen diese Mittel benötigen?
Die Angst davor, durch das Virus zu erkranken oder gar daran zu sterben, zeigt mir zudem eine Angst vor dem Leben oder konkret davor, Unglücken, Krankheiten, Not und Leid ohnmächtig ausgeliefert zu sein. Es ist somit auch die Angst, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren. Doch wer erkennt, dass es eine Illusion ist, das Leben kontrollieren zu wollen, tut den ersten Schritt, diese Angst zu überwinden.
Krisenbewältigung
Das sind für mich Aspekte unseres menschlichen Daseins, die bisher gesellschaftlich nicht hinterfragt werden. Wenn es doch geschieht, dann nur durch Menschen, die man als Esoteriker oder Spinner verurteilt. Der westliche Durchschnittsbürger dagegen geht morgens zu Arbeit, kommt abends wieder nach Hause, informiert sich über das Weltgeschehen in den öffentlich rechtlichen Nachrichtensendungen, ärgert sich darüber, wie schlimm die Welt ist und geht dann ins Bett.
Am nächsten Tag geht das gleiche Spiel wieder von vorne los. Deshalb wird er auch nicht auf den Gedanken kommen, das es noch gänzlich andere Lebenseinstellungen gibt, was der höhere Sinn seines Daseins ist und welche Bedeutung die Corona-Krise und der Krieg in der Ukraine gesellschaftlich gesehen, haben kann. Doch lebt für mich jeder Mensch sein Leben so, wie er es bestmöglich vermag und solange die persönliche Krise nicht allzu schmerzhaft ist, ändert sich daran wahrscheinlich auch nichts.
Auf der anderen Seite kenne ich auch Menschen, die so sehr in die alternativen Meinungen, wie die Verschwörungsgeschichten eingetaucht sind, dass sie kein Verständnis mehr für den normal denkenden Bürger aufbringen, der dann gerne als „Schlafschaf“ beschrieben wird. Dies bedeutet für mich genauso eine zu starke Einseitigkeit gepaart mit dem gleichen Unvermögen, über die eigene Bewusstseinsblase hinauszuschauen.
Deshalb ist mir das Bemühen wichtig, immer in meiner „Mitte“ bleiben zu wollen und nicht zu sehr mit der einen oder der anderen Seite zu identifizieren. Dann kann man alle Informationen, die man erhält kritisch hinterfragen und dabei nur jenes für sich behalten, was sich gut anfühlt, was einem in seinem Leben einen Sinn gibt und dadurch wirklich weiterbringt. Mir selbst ist es wichtig, in regelmäßigen Abständen zu hinterfragen, was ich tue, mit welchen Themen ich mich beschäftige und wie ich mein Weltbild geformt habe. So vermag ich zu erkennen, ob ich immer noch auf meinem Weg bin oder ob ich etwas in meinem Leben ändern sollte.
Das Herausfallen aus dieser Mitte kann man an emotionalen Reaktionen erkennen. Wenn man wütend wird, sich ärger, aggressiv wird, andere Menschen verurteilt oder erniedrigt, sollte man anfangen, das eigene Verhalten zu reflektieren, um zu erfahren, warum einem diese andere Meinung so sehr aus der Bahn geworfen hat. Was hat sie bei mir ausgelöst? Wovor habe ich möglicherweise Angst? Was hat mich verunsichert? Oder wovor fühle ich mich hilflos oder ohnmächtig?
Wenn Freunde oder Partner dann in der Lage sind, diese bisher nicht gesehenen Aspekte offen und ehrlich anzusprechen, können sie helfen, die eigene Bewusstseinsblase zu erweitern. Gute Freunde sind genau dafür da, uns ein Spiegel vorzuhalten für etwas, was wir selbst nicht sehen möchten. Dagegen bin auch ich nicht gefeit, denn auch ich habe meine schwarzen Flecken, also jene Anteile in mir, die ich selbst nicht sehen will und deshalb selbst verdrängt habe.
Wenn ich in einen Konflikt oder in eine Auseinandersetzung bin und emotional reagiere, versuche ich meinem Gegenüber oder jenem, der dies bei mir ausgelöst hat, nicht die Schuld zu geben. Stattdessen suche ich die Ursache bei mir selbst und frage mich, was in mir ausgelöst worden ist oder was mir diese Situation zeigen möchte. Dadurch vermag ich mir anzuschauen, was in mir bewusst werden möchte und kann dies annehmen und erlösen. Wenn es mich dann wieder in meine Mitte gebracht hat, vermag ich mir die andere Meinung oder Ansicht wertfrei anzuschauen, erweitere damit meine Bewusstseinsblase und entwickele mich weiter.
So wie es Krisen oder Katastrophen gibt, welche eine Gesellschaft dazu bringen sich weiterzuentwickeln, so geschieht dies durch Konflikte oder Streit auch im Zwischenmenschlichen. Grundvoraussetzung ist eine Offenheit gegenüber anderen Menschen, besonders Andersdenkenden und Andersgläubigen, welche uns dazu führen, unser Weltbild zu erweitern.
Diese Offenheit wird uns belohnt mit wirklichem Glück und Lebensfreude. Deshalb lohnt es sich, wenn man damit aufhört, sich Neuen oder Fremden gegenüber weiterhin zu verschließen, sondern stattdessen beginnt, sich an der Fülle und der Vielfalt des Lebens zu erfreuen. Falls Du skeptisch bist, ob dies wirklich funktioniert, kann ich nur empfehlen, es einfach auszuprobieren.