
Von: Stefan Andromis Herbert – November 2021
Ich habe mich schon immer für die Geschichte der Menschheit angefangen von der Steinzeit bis heute interessiert. In meinen jungen Jahren geschah dies aus gesellschaftlicher und technologischer Sicht. Seit dem ich mich mit Spiritualität und dem Bewusstseinswandel beschäftige, sehe ich es aus der Perspektive einer Bewusstseinsentwicklung. So wie für mich unser individuelles Leben hier auf der Erde einen höheren Sinn hat, so sehe ich dies auch auf der Ebene der Menschheit. Dabei entwickelt sie sich durch die Entwicklung eines jeden Individuums weiter.
Vor einigen Jahren entdeckte ich Spiral Dynamics als ein Modell, mit welchem die Menschheitsentwicklung in acht Stufen beschrieben werden. Es gibt zwar noch einige andere Systeme dieser Art, doch gefällt mir hier am besten, dass die Entwicklungsphasen nicht mit der heutigen Menschheit ihren Höhepunkt finden, sondern darüber hinausgehen. Denn heutzutage interessiert mich weniger die Frage, wo wir hergekommen sind und wo wir gerade stehen, sondern wie es weitergeht. Wohin entwickelt sich der Mensch, und wie werden wir in vielleicht einhundert Jahren leben?
Zukunftsforscher schauen dabei zumeist auf eine technologische Entwicklung und hoffen dann, dass die Menschheit gleichzeitig zu jener Vernunft findet, mit der sie die gegenwärtigen Probleme, wie Kriege, Hunger, Umweltverschmutzung und den Umgang mit den Ressourcen der Erde, zu lösen vermag. Ich lege dagegen meinen Fokus auf die Bewusstseinsentwicklung und frage mich deshalb, wie sich das Bewusstsein in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten entwickeln wird.
Spiral Dynamics bietet mir zudem die Möglichkeit, sowohl die Entwicklung des individuellen Menschen als auch jene der Menschheit, über Jahrzehntausende hinweg in Stufen oder Ebenen zu beschreiben. Es wurde erstmals von dem US-amerikanischen Psychologie-Professor Clare Graves entworfen und später von dem Management-Berater Don Beck zusammen mit Chris Cowan und auch von dem US-amerikanischen Autor über Integrale Theorie, Ken Wilber, weiterentwickelt.
Schnell merkte ich, dass ich mit der Beschreibung von Don Beck und Chris Cowan am meisten anfangen konnte, weil sie mir nicht so theoretisch vorkam. Die beiden beschreiben acht Bewusstseinsstufen, welche mit Farben benannt werden. Es sind aufeinanderfolgende Stufen, beginnend mit der Farbe Beige als ein Bewusstsein, welches innerhalb der Menschheit vor ca. 100.000 Jahren vorherrschend gewesen sein soll und geht bis zur Farbe Türkis, einer Ebene, in welche die Menschheit noch hineinwachsen wird.
Als ich mich mit dem Modell beschäftigte, verwendete ich für die Ebenen eigene Beschreibungen, die ich nachfolgend zusammenstelle. Dazu gibt es auch einen etwas abgewandelten Zeitrahmen, in welchem diese Ebenen innerhalb der Menschheitsgeschichte für mich sichtbar geworden sind. Jede der Ebenen ist ein Entwicklungsschritt, der zuerst nur von wenigen Menschen gegangen wird. Es dauert dann oft sehr lange, bis er in der Gesellschaft ankommt und dort integriert wird.
Die Zeitangaben, welche ich hier weitergebe, stammen somit auch von mir und sind aus meiner historischen Einschätzung heraus entstanden. In Dokumentationen, wie Wikipedia, werden allerdings andere Jahreszahlen genannt. Dort wird dargestellt, wann dieses Bewusstsein das erste Mal aufgetreten ist. Doch dies fand ich für mich nicht gut nachvollziehbar. Besonders wertvoll finde ich dieses Modell gerade deshalb, weil die beiden oberen Ebenen mit meinen spirituellen Vorstellungen darüber übereinstimmen, wohin wir uns entwickeln werden.

Es ist mir wichtig, anzumerken, dass diese Ebenen nicht wertend zu betrachten sind. Wenn sich ein Mensch auf der grünen Ebene befindet, ist er damit nicht besser oder mehr wert als ein Mensch, der noch sehr vom Bewusstsein der blauen oder orangen Stufe geprägt ist. Die Ebenen sind für mich auch nur ein Versuch einer Einteilung. Aus meiner Sicht kann man auch keinen Menschen zu 100 % einer bestimmten Ebene zuordnen, sondern er dürfte in sich Anteile aus mehreren Ebenen haben.
Deshalb soll es nicht zu einem Schubladen-Denken führen in dem Sinne: „Du bist noch blau und ich bin schon grün“, und zeigt somit eher Tendenzen auf. Ich habe auch eine Übersicht gesehen, in der jeder Stufe Prozentzahlen zugeordnet waren, um darzustellen, wie viel Prozent der Menschen welcher Stufe zugeordnet sind. Ich habe sie in der obigen Darstellung weggelassen, weil ich ihre Grundlage nicht kenne.
Ich bin allerdings der Meinung, dass sich bei uns in Europa nur ganz wenige Menschen, vielleicht 1 – 2 % den obersten beiden Ebenen zuordnen lassen. In der grünen Ebene finden sich vielleicht bis zu 10 %, die beiden Ebenen Orange und Blau sind mit ca. 50 % aus meiner Sicht noch recht deutlich vertreten, vielleicht auch noch 10 % auf der Ebene Rot. Nagele mich aber bitte auf diese Zahlen nicht fest, es ist eher eine gefühlsmäßige Einschätzung.
In der Corona-Krise zeigten sich für mich noch deutliche Tendenzen in unserer Gesellschaft in der orangenen und blauen Ebene. Die Wissenschaft bestimmt das Geschehen, und es wird erwartungsvoll auf die Virologen und Epidemiologen geschaut, welche Antworten sie uns liefern, wie wir die Krise am besten bewältigen können. Die Gesellschaft hat sich aus meiner Sicht auch noch weiter gespalten, weil mehr Menschen darauf beharren, dass ihre Ansichten zu der Situation die richtigen sind und alle anderen sich irren.
Für mich besteht eine wirkliche Lösung nur in der Entwicklung über die grüne auf die gelbe Ebene. Hier sehen wir das Geschehen ganzheitlich, alle Menschenrechte werden wirklich geachtet, die Natur bewahrt und integrative Lösungen gefunden. Zwar verwende ich hier die Ebenen für eine Beschreibung der Menschheitsentwicklung, doch ist es auch möglich, mit ihnen eine Persönlichkeitsentwicklung darzustellen und sie in einer Beratungsarbeit oder in Therapien zu nutzen.
Das Modell nach Spiral Dynamics verdeutlicht mir, dass die Menschheitsentwicklung in Zyklen erfolgt, die zeitlich enger werden, je näher wir der Gegenwart kommen. Die ersten beiden Ebenen Beige (Animistisches Leben) und Purpur (Mystisch) überspannten sehr große Zeiträume, und es brauchte lange, bis die nächstfolgende Ebene Rot (Machtgötter) begann.
Für die mystische Ebene habe ich als Beispiel die Aborigines gewählt, weil ich sie auf meiner Reise nach Australien in Alice Springs persönlich erlebte. Jene, die dort in der Stadt herumliefen und verzweifelt versuchten, ihre traditionellen Bilder zu verkaufen, um damit ein wenig Geld zu verdienen, fühlten sich für mich aus ihrer eigenen Kultur entwurzelt an. Mit dem Blick aus dem Spiral-Dynamics-Modell wird mir klar, was passiert, wenn ein Mensch, der noch im purpurnen Bewusstsein lebt, sich plötzlich in einer orangenen Welt (materialistisch) zurechtfinden muss.
Die rote Ebene (egoistisch, machtvoll) bringe ich in Verbindung mit dem Beginn der antiken Reiche und der Gottkönige ca. 3000 v. Chr. in Sumer und in Ägypten. Dies geschah für mich mit der Entdeckung der Schrift, denn nun war eine bessere Organisation von Gemeinwesen möglich. Diese Reiche mussten verteidigt oder wollten erweitert werden. Deshalb kam es seitdem verstärkt zu Kriegen, bei denen es nicht mehr im Wesentlichen um Überlebenskämpfe ging, sondern um Machterhalt.
In dem nächsten Bewusstseins-Schritt mit der Farbe Blau (hierarchisch, autoritär) habe ich als Beispiel den Gesetzescodex des Hammurapi gewählt. Dies ist eine Sammlung von babylonischen Rechtssprüchen aus dem 18. Jahrhundert vor Christus. Mir fielen dazu aber auch die zehn Gebote aus dem alten Testament ein. Die Ursprünge dieses Textes sollen bis ca. 1500 v. Chr. zurückreichen. Mit ihnen wurden Regeln aufgestellt, die unser Verhalten in Richtig und Falsch einordneten. Wer sich nicht diesen Regeln entsprechend verhielt, wurde bestraft. Das ist für mich der zentrale Kern dieses Bewusstseins und gilt im Grunde genommen bis heute.
Die nächste Ebene Orange (strategisch, materialistisch) beginnt für mich bereits im 17. Jahrhundert mit den wissenschaftlichen Arbeiten durch Galileo Galilei und Johannes Kepler. Verstärkt wurde sie mit dem Beginn der Aufklärung, in der das rationale Vernunftdenken immer mehr Verbreitung fand. Daraus folgten viele Erfindungen, wie die Dampfmaschine Anfang des 18. Jahrhunderts, welche das Industriezeitalter einläuteten.
Auch hier wird deutlich, dass der Beginn eines neuen Bewusstseins nicht an einem bestimmten Zeitpunkt festgemacht werden kann, sondern eher ein Zeitraum ist, in dem es sich zum Höhepunkt hin immer stärker etabliert. Auch das materialistische Denken herrscht noch bis heute sehr stark vor.
Ähnlich ist es bei der grünen Ebene (sozial, harmonisch). In der Übersicht habe ich das Jahr 1948 mit der Erklärung der Menschenrechte gewählt. Mit dem Satz „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ ist sie auf eine Politik ausgerichtet, die globalen Frieden ermöglichen soll. Ein weiterer Schritt war die Friedens- und die Naturschutzbewegung in den 1970er Jahren.
Die nachfolgende gelbe Ebene (systemisch, integrativ) wird für mich erst jetzt mit dem beginnenden 21. Jahrhundert sichtbar. Dazu gehört das Entwerfen der Integralen Theorie von Ken Wilber genauso wie eine verstärkt ganzheitliche Ausrichtung, die vermehrte Beschäftigung mit Yoga, Ayurveda und das Bedürfnis nach einer nachhaltigeren Lebensweisen.
Die Integration des Bewusstseins der grünen Ebene bedeutet für mich auch das tiefe Erkennen, dass alle Menschen wahrhaftig gleich sind und alle die gleichen Rechte besitzen. Das ist zwar in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Jahre 1948 schon ausgerufen, nur in der globalen Politik erst zu Teilen integriert.
Die türkise Ebene (holistisch, global) ist für mich innerhalb der spirituellen Bewegung, der ich mich auch zugehörig fühle, bereits sichtbar und wird sich in den nächsten Jahren noch verstärken. Dazu benötigt es Vorreiter oder Pioniere, die es jetzt bereits vorleben, damit andere Menschen nachkommen können.
Ich freue mich, wenn Du über Spiral Dynamics ebenfalls zu einem besseren Verständnis über die Entwicklung der Menschheit findest. Ein solcher Entwicklungsprozess gibt unserem Dasein aus meiner Sicht erst einen Sinn. Das zeigt sich auch bei uns selbst, wie wir uns vom Neugeborenen über das Kleinkind, dem Jugendlichen, Erwachsenen hin zu einem weisen und erfahrenden alten Menschen hin entwickeln mögen. So stelle ich es mir auch für die Menschheit als Ganzes vor.
Diese Beitrag stammt aus dem Buch „Die Menschwerdung – über Wissenschaft und Spiritualität zum bewussten Sein“ von Stefan Andromis Herbert. Es ist im Syntropia Verlag erhältlich unter https://syntropia.de/menschwerdung-p-118198.html

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